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"Ein wahrer Krimi."
Bruno Schulz –  Kunst – Zeitgeschichte – NS-Zeit / Heute
Ukraine – Polen – Israel – Frankreich – Österreich – Deutschland – Langzeitbeobachtung

BILDER FINDEN – Der Film – Inhalt

Bruno Schulz, der weltweit hochgeachtete polnisch-jüdische Schriftsteller (in 26 Sprachen übersetzt) und Maler hat unter dem Schrecken der deutschen Besatzung 1941/42 in der galizischen Stadt Drohobycz, um sein Leben zu retten, in der von dem Wiener SS-Führer Felix Landau okkupierten Villa Wandfresken für dessen Kinder gemalt.

Am 19. November 1942 ist Bruno Schulz von der SS erschossen worden.

 

Diese Wandbilder sind nach dem Ende des II. Weltkriegs trotz intensiver Suche nicht wieder gefunden worden.

Am 9. Februar 2001, hat das Filmteam des Dokumentarfilmers Benjamin Geissler die lange verschollenen geglaubten Bilder wiederentdeckt.

Im Mai 2001 wurden Fragmente dieser Wandmalereien von Mitarbeitern der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in einer geheimen Aktion aus den Wänden der Villa herausgetrennt und illegal nach Israel ausgeführt. Das Vorgehen Yad Vashem’s führte zu einer weltweiten Kontroverse (Titelseite New York Times, Time Magazine, Le Monde, La Repubblica, The Guardian, Ha’aretz, Gazeta Wyborcza, Neue Zürcher Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, etc..).

 

„Bilder finden” dokumentiert filmisch minutiös, die Suche, das Finden und das Verschwinden der Wandmalereien des Bruno Schulz. Dabei erzählt der Film auch die Geschichte einer der umstrittensten Museums- Akquisitionen der letzten Jahre. Yad Vashem beansprucht das moralische Recht die Arbeiten zu „sichern”. Ukrainische und polnische Offizielle sprechen von einem Verbrechen. Aber was sagen jüdische Menschen aus Drohobycz in der Ukraine und in Israel dazu...

 

„Bilder finden” gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, dem Regisseur in ein genau durchkomponiertes Mosaik aus veröffentlichten und unveröffentlichten Zeugnissen über Bruno Schulz und seine letzten Tage zu folgen. Dabei ist ein Film entstanden, der auf poetisch eindringliche Weise zeigt, wie bewegend und schmerzhaft präsent auch heute noch der Holocaust nachwirkt.

Die Suche nach den Fresken, ihre Entdeckung und eine Zeit nach dem „Raub” ist von Benjamin Geissler filmisch minutiös aufgezeichnet worden.

 

Bruno Schulz wurde 1892 in Drohobycz, einer kleinen Stadt in der östereich-ungarischen Provinz Galizien, geboren. Er dachte und schrieb in polnisch und lehnte alle Angebote Drohobycz zu verlassen ab, weil er spürte, das er an einem anderen Ort nicht kreativ sein konnte.  Gelegen an den nordöstlichen Ausläufern der Karpaten im Ost-Galizischen Erdölgebiet, war Drohobycz eines der wichtigsten Zentren der jüdischen Kultur in Osteuropa vor dem II. Weltkrieg. Sowohl ökonomisch als auch kulturell gab es in der Stadt starke Gegensätze. 1939 bestand die Bevölkerung von Drohobycz aus 36.000 Einwohnern, wovon 17.000 jüdischen Glaubens waren. Den zweitgrößten Anteil stellten Polen, dann erst kamen Ukrainer und ein kleiner Teil deutschstämmiger Bewohner.

Während der deutschen Besatzung wurden die meisten Juden in dem Vernichtungslager

Belzec und im Wald von Bronica ermordet.

 

„Bilder finden” stellt uns Überlebende des Holocaust vor, die Schulz persönlich kannten und verbindet die heutige Welt mit den poetischen und furchtbaren Visionen im Werk von Bruno Schulz.

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BILDER FINDEN – Festivals

History of Public Screenings and Awards:

River Film Fest - The World of Josef K., Pisek, CZ  2009

Bruno Schulz Festival, Dublin, IE  2008

National Yiddish Book Center, Amherst, Massachusetts 2007. 

Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Anglistik und Amerikanistik
Capturing the... truth? Changing Strategies in Documentary Cinema
Panel Session „The Filmmaker as Detective“ - Finding Pictures, Thursday, February 10, 2005.

Paideia - The European Institute for Jewish Studies in  Sweden, Stockholm
Polish-Jewish writers and double identity. The authors Bruno Schulz, J. Stykowski and Isaac B. Singer
Screening - Finding Pictures, Polska Institutet, Villagatan 2, Sunday,  February 6, 2005.

TV-Broadcast: MDR, Germany, Mittwoch, 02.02.2005, 23:35

TV-Broadcast: ARD Digital, Germany, - Gedenktag der Opfer des  Nationalsozialismus, Freitag, 28.01.2005, 23:30

Fundacja Judaica - Centrum Kultury Żydowskiej - The Judaica  Foundation - Center for Jewish Culture, Krakow, Poland. 
Jointly organized with the Italian Culture Institute in  Cracow.
Literature and  Remembrance  - Screening - Finding Pictures – Introduction by  Prof. Jerzy Jarzębski, 19.01.2005

Musée d'art et d'histoire du Judaïsme, 71 rue du Temple, 75003 Paris, France,  7.11.2004

TV-Broadcast:  TVP1, Poland  5.+12.11.2004

Jewish Eye World Jewish Film Festival, Tel Aviv, Israel, 29.10.2004 – in competition

TV-Broadcast: MDR, Germany, Sunday, 29.09.2004, 23:35

Festival „Der neue Heimatfilm” #17, Freistadt, Austria  (PDF) 25.-29.8.2004
AUDIENCE AWARD - PUBLIKUMSPREIS Festival „Der neue Heimatfilm” for BILDER FINDEN

9. International Literature Festival Leukerbad, Switzerland 2.+3.7.2004

Filmkunstfest Schwerin, Deutschland 9.5.2004

Warsaw Int. Jewish Film Festival,18.4.2004 - 27.4.2004

PHOENIX AWARD for FINDING PICTURES

32nd Belgrade International Film Festival FEST, 27.2.2004 - 07.3.2004

First Broadcast by: ARTE, 23.02.04 - 22:20

Hamburg, Kino 3001, 29. Jan. – 4. Feb. 2004

Academy of Arts, Berlin, 25. Jan. 2004
And Panel with: Benjamin Geissler, Jerzy Jarzebski (Prof. Polish Literature, Bruno Schulz-Biograpfer, Kraków, Poland), Krzysztof Czyzewski (President Borderland Foundation, Sejny, Poland), 
Frank Golczewski (Professor for East-Europaen Studies, Hamburg), Siegfried Zielinski (Member of the Academy of Arts, Prof. at the
Academy of Media Arts, Cologne)

Toronto, Beth Tzedec Synagoge / Goethe Institut, Canada, Dec. 2003

Harvard University, Cambridge, USA, Nov. 2003

Filmclub L'viv University, Ukraine, Nov. 2003

Uniwersytet Maria Curie-Skldowska, Lublin, Poland, Nov. 2003

MOLODIST  Kyiv International Film Festival 2003
Ukrainian Premiere, Special Event

Leipzig, DOK Festival for Documentary and Animated Films  2003
German Premiere, Special Event

AFO 2003 International Film Festival, Czech Premiere
The AFO Grand Prix 2003 for "Finding Pictures"
- Velká cena AFO 2003, Bilder Finden (Hledání obrazu) (PDF)

Locarno Film Festival 2003 Switzerland Premiere
Semaine de la Critique - 14. édition

Cracow Film Festival 2003 Polish Premiere, Opening film
KINO: Co sie wydarzylo w Drohobyczu Bilder finden (Odnalezc obrazy). Tadeusz Lubelski (Maj 2003, 5/432)

Montreal Jewish Film Festival   2003  Canadian Premiere FINDING PICTURES

New York,  World Premiere: FINDING PICTURES, November 19, 2002
Center for Jewish History , 15 West 16th Street, New York City, 10011
presented by the Center for Jewish History with the YIVO Institute for Research and the Jewish Heritage Project, in association with Goethe-Institut - New York, the Polish Cultural Institute,
New York, the Institute for the Humanities at New York University, and PEN American Center.

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Kritiken und Artikel - Index

lexikon des internationalen films

filmdienst

Gazeta Wyborcza

Locarno Int. Film Festival - Semaine de la Critique - 14. édition

taz

KINO, Polen - 43. Filmfestival Krakau

Badische Zeitung - Der Maler und seine Mörder

DIE ZEIT

Kritiken und Artikel - International

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lexikon des internationalen films  Bilder finden

Der jüdische Malers Bruno Schulz versuchte 1941/42 vergeblich, der Deportation zu entgehen, indem er die Villa des örtlichen SS-Führers im (damals) polnischen Drohobycz ausmalte. Detektivische Spurensuche, in der eine Vielzahl betagter Zeitzeugen ein differenziertes Erinnerungsmosaik entwerfen, das zum Fund der verschollenen Bilder in der Villa führt. Als diese wenig später von Mitarbeitern des israelischen Holocaust- Dokumentationszentrums Jad Vashem heimlich entführt werden, sorgt der Kunstraub weltweit für Aufsehen. Sensibler, hellsichtiger Dokumentarfilm, der die heterogene Materialfülle geschickt ordnet und durch einen gigantischen Montageaufwand verdichtet, wodurch sowohl ein facettenreiches Bild der Vergangenheit als auch ein aktuelles Porträt der Befragten entsteht. (teils O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.

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filmdienst  3/2004 - Bilder finden

In den Jahren 1941/42 malte der Autor und Maler Bruno Schulz um sein Leben. Während die meisten seiner jüdischen Mitbewohner der damals polnischen, heute in der Ukraine gelegenen Stadt Drohobycz von den NS-Besatzern ins Vernichtungslager deportiert worden waren, wurde Schulz von dem örtlichen SS-Führer Felix Landau mit der Aufgabe betraut, das Kinderzimmer in der von ihm okkupierten Villa mit Wandmalereien zu „verschönern“. So machte sich der damals bereits renommierte jüdische Künstler ans Werk – im Bewusstsein, dass sein Leben wohl so lange nicht gefährdet sei, wie er an den Fresken arbeitete. Doch sein Kalkül ging nicht auf. Im November 1942 wurde Schulz im Zuge der Rivalität zwischen Landau und einem anderen SS-Führer erschossen. 1992 las der deutsche Schriftsteller Christian Geissler in einem Ausstellungskatalog erstmals von Bildern von Schulz, die „unter ungewöhnlichen Umständen“ seinerzeit in Drohobycz entstanden und seitdem verschollen waren. Neun Jahre später machte sich Geissler zusammen mit seinem Sohn, dem Dokumentarfilmer Benjamin Geissler, auf den Weg nach Drohobycz, um nach den Bildern zu suchen, bei denen es sich – so viel hatte seine Recherche inzwischen ergeben – um eben jene Wandmalereien handeln musste.

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Vordergründig dokumentiert der Film lediglich die Suche nach jenen Bildern: ein investigatives Projekt mit Anklängen an klassische Detektivgeschichten, das schon als solches ein spannendes Dokument über eine Reise in die (dunkle NS-)Vergangenheit ergeben hätte. Da tritt eine Fülle von betagten Zeitzeugen auf, die konkrete oder auch nur gänzlich vage Erinnerungen an jene Jahre zu Protokoll geben. Christian Geissler wird bei unzähligen Telefonaten „belauscht“ oder auch nur rauchend auf einer Straße im verschneiten Drohobycz ins Bild gesetzt. Dabei entsteht nach und nach ein vielschichtiges Mosaik von Figuren, gespeist aus ihren Erzählungen über ihre damaligen, aber auch heutigen Lebensumstände. Parallel zu diesen beklemmenden Berichten laufen die Bemühungen, von den beiden Söhnen Felix Landaus Näheres über die ominösen Bilder des Bruno Schulz zu erfahren. Von denen zeigt sich der eine durchaus kooperativ, während sich der andere, der heute in Australien lebt, partout an nichts erinnern will. Eine aufwändige Spurensuche, die ein Happy End hat: Die Geisslers machen die gesuchte Villa ausfindig und entdecken darin in einer winzigen Speisekammer die verschollenen Fresken. Polnische und ukrainische Kunstexperten und Restauratoren werden hinzugezogen, die die Funde examinieren und für echt befinden. Eine kleine Sensation, mit der dieser – bis dahin schon sehenswerte – Film ein durchaus schlüssiges Ende hätte finden können. Doch dann nahm das Projekt eine unerwartete Wendung. In einer Nacht-und-Nebel- Aktion entfernten Angestellte des Jerusalemer Holocaust-Dokumentationszentrums Jad Vashem die Fresken und brachten sie nach Israel. Ein spektakulärer Kunstraub, der weltweit für Aufsehen sorgte und eine Diskussion über die Frage entfachte, wer die rechtmäßigen Erben der künstlerischen Werke von Holocaust-Opfern sind.

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So ist der schlichte Titel „Bilder suchen“ ein glattes Understatement für einen facettenreichen Dokumentarfilm, der der Komplexität seiner Thematik auch formal in jeder Hinsicht gerecht wird. Benjamin Geissler erzählt die Geschichte(n) keineswegs linear, sondern lässt sie ohne jeden Off-Kommentar nach und nach aus einer Fülle von heterogenen Elementen entstehen. Da wird mit (Mehrfach-)Überblendungen und einander überlappenden Bild- und Tonspuren gearbeitet, wird im Off aus Werken des Bruno Schulz rezitiert, werden Sequenzen sparsam, aber effizient mit stimmigen Sounds unterlegt. Ein gigantischer Montage-Aufwand, der ein Höchstmaß an Konzentration verlangt, aber nie ins Kunstgewerblich-Artifizielle abgleitet. Dennoch „lebt“ der Film letztlich von all den Menschen, die hier keineswegs nur als Zeitzeugen auftreten. Geissler gelingt das Kunststück, sie in kurzen Skizzen auch in ihren aktuellen Lebenssituationen zu porträtieren. So steckt in diesem Dokumentarfilm einen ganze Fülle von Sujets, von denen jedes für sich schon einen eigenen Film gelohnt hätte.

Reinhard Lüke

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Gazeta Wyborcza , 26.5.03

... „ "Bilder finden" , ein Film von Benjamin Geissler – die faszinierende Geschichte der Entdeckung der Wandmalereien von Bruno Schulz.“

... a chwilę później film "Odnaleźć obrazy" Benjamina Geisslera - fascynującą opowieść o odkrywaniu fresków Schulza.

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Locarno Int. Film Festival 2003 - Semaine de la Critique - 14. édition

SCHWEIZERISCHER VERBAND DER FILMJOURNALISTINNEN UND FILMJOURNALISTEN SVFJ

ASSOCIATION SUISSE DES JOURNALISTES CINEMATOGRAPHIQUES ASJC

ASSOCIAZIONE SVIZZERA DEI GIORNALISTI CINEMATOGRAFICI ASGC

BILDER FINDEN

Benjamin Geissler - D 2002, 35 mm, colors, 106’ , o.v. several languages, subt. german, english, swiss première

 

Im Februar 2001 entdeckt der Filmemacher Benjamin Geissler in der Ukraine seit Jahrzehnten verloren geglaubte Wandfresken des jüdischen Schriftstellers und Malers Bruno Schulz. Drei Monate später, noch während der Dreharbeiten, entführen Mitarbeiter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Fresken in einer Nacht- und Nebel-Aktion nach Israel. Der unverschämte Akt führt zur weltweiten Kontroverse – und verwandelt Geisslers Film in einen Dok-Krimi, der in gewifter Vielschichtigkeit zur eindrücklichen Reflexion über das dokumentarische Schaffen an sich wird.

Benjamin Geissler wurde 1964 in der Nähe von Osnabrück geboren. Nach sieben Jahren Waldarbeit machte er 1990 seinen ersten Dokumentarfilm «Bussmanns im Wald», eine Langzeitbeobachtung. 1994 gründete Benjamin Geissler seine eigene Filmproduktion und spezialisierte sich auf Langzeitbeobachtungen. Es entstanden: «Vincenzo Floridia, oder die letzte Rose von Noto» (1994-95); «Zeitsprung» (1997-1999), «Bilder Finden» (1999-2002).

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1941/42 lebte der jüdische Schriftsteller Bruno Schulz im galizischen Drohobycz in der Villa des SS-Führers Felix Landau und malte für dessen Kinder Wandfresken. Wer aber war Bruno Schulz? Wie wurde der Jude zum Hausmaler des Nazikommandanten? Und warum haben im Mai 2001 Mitarbeiter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem die Fresken aus den Wänden gehämmert und sie in einer Nacht- und Nebel-Aktion illegal nach Israel transportiert? Bruno Schulz (1892-1942) war ein jüdischer Schriftsteller. Er lebte im russischen Teil Galiziens, der heute zur Ukraine gehört, und schrieb in polnischer Sprache. Doch Schulz schrieb nicht nur, er malte auch. Als Zeichenlehrer unterrichtete er am Gymnasium von Drohobycz. Sein graphisches Werk - Zeichnungen und Radierungen, stilistisch zwischen Goya und Expressionismus einzuordnen - ist ein bedeutender Beitrag zur polnischen Avantgarde. Sein schriftstellerisches Werk wurde in 26 Sprachen übersetzt. «Poesie - das sind Kurzschlüsse des Sinns zwischen den Worten.» Mit diesen Worten von Bruno Schulz beginnt der Dokumentarfilm «Bilder Finden» von Benjamin Geissler. Der Filmemacher macht Schulz' Worte zumMotto, und führt sein Publikum zu eben solchen «Kurzschlüssen des Sinns» zwischen den Bildern. 1999 wurde der Dokumentarfilmemacher Benjamin Geissler von seinem Vater, dem Schriftsteller Christian Geissler, angeregt, nach den verschwundenen Wandbildern von Bruno Schulz zu suchen. «Bilder Finden» dokumentiert die Suche, die Wiederentdeckung - und das erneute Verschwinden der Wandmalereien. Geissler gelingt es im Februar 2001 nach einer minutiös durchgeführten Recherche, die verschwunden geglaubten Wandfresken zu finden. Im Mai 2001, während der Dreharbeiten, entführen Mitarbeiter der Yad Vashem die Fresken illegal nach Israel. Der unverschämte Akt führt zu einer weltweiten Kontroverse. Ukrainische und polnische Offizielle sprechen von einem Verbrechen. Was aber sagen jüdische Menschen aus Drohobycz in der Ukraine und in Israel dazu? Und was geschah wirklich in Drohobycz? «Bilder Finden» präsentiert ein fein durchkomponiertes Mosaik aus veröffentlichten und unveröffentlichten Zeugnissen zu Bruno Schulz, seinem Werk und seinen letzten Tagen. Mit der Überlagerung verschiedener Bildebenen verweist Geissler auf die Überlagerung von Erinnerungen und auf die mehrschichtige Qualität seiner Fundstücke. Das kann man ganz real sehen, zumal die Fresken unter mehreren Farbschichten liegen und erst freigelegt werden müssen, andererseits sind auch die Erinnerungen der Zeitzeugen nicht immer frei von Überwucherungen. «Bilder Finden» ist ein komplexes, poetisches Geflecht. Es dokumentiert und reflektiert die Bedingungen des Recherchierens und des dokumentarischen Filmens. Ein Film über das Finden von Bildern eben. (ft)

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taz Hamburg vom 29.1.2004 - Kultur

Auf den Spuren des polnisch-jüdischen Künstlers Bruno Schulz: "Bilder finden" im 3001

Entwurf eines Gedächtnisses

Ein Mann geht im Winterlicht durch die verschneite Stadt, den Pelzkragen hochgeschlagen, als plötzlich ein Bild vor seinem inneren Auge erscheint: Ein Pferd im Trab, den Leib von schwarzen Stiefeln umrahmt. Es schnaubt. Der Mann schüttelt den Kopf, vertreibt das aufblitzende Bild, so dass Pferd und Reiter verschollen sind, als er das gesuchte Haus betritt. "Kannten Sie Bruno Schulz?", fragt er den alten Mann, der in der Küche Tassen, Untersetzer, Löffel zusammensucht. Ja, er habe ihn gekannt, er sei bei Schulz zur Schule gegangen, antwortet der Alte.

So beginnt eine Suche, dokumentiert im Film Bilder finden von Benjamin Geissler, in deren Verlauf etwas gefunden und etwas entworfen wird: Gefunden werden Bilder von Bruno Schulz, polnisch-jüdischer Schriftsteller und Maler, der vom SS-Scharführer Karl Günther am 19. November 1942 auf der Straße erschossen wurde. Doch im Verlauf der Suche wird auch etwas entworfen, das zum Verständnis der Bilder unumgänglich ist: Ein Gedächtnis, gemacht aus Film, mit Lücken, Brüchen, Widersprüchen, in dem sich Menschen mit Worten, Bildern, Tönen eintragen, von denen wenige sich erinnern, manche kaum und einige gar nicht, zumindest nicht an diesen Menschen namens Bruno Schulz.

Nein, sagt beispielsweise Wolf-Dieter Landau am Telefon im fernen Australien, er könne sich nicht an die Zeit in Drohobycz erinnern, da sei er zu klein gewesen, nur die Pferde, die Pferde seien ihm im Gedächtnis geblieben. So wird eine Vergangenheit beschlossen, die Opfer nicht mit einschließt. "Einen Abschnitt seines Lebens vergessen heißt: Die Verbindung zu jenen Menschen verlieren, die uns zu jener Zeit umgaben", umschreibt Maurice Halbwachs dieses Phänomen.

Dabei hätte Wolf-Dieter Landau zumindest die Chance gehabt, jene Bilder zu schauen und jenen Mann zu erleben, deren und dessen Spuren so akribisch in Bilder finden gesucht werden. Zumindest bemalte der Künstler die Wände seines Kinderzimmers mit Fresken, um das eigene Leben zu retten. Im Jahr 1941 arbeitete Bruno Schulz für dessen Vater Felix Landau, Leiter des "jüdischen Arbeitseinsatzes" im von Deutschen okkupierten Galizien, indem er in einigen Häusern in Drohobycz Wandfresken malte, so auch in dem von Landau bewohnten Gebäude, der ehemaligen polnischen Polizeistation.

Landau habe daran Gefallen gefunden, sich mit "feinen Menschen" zu umgeben, sagt eine Zeitzeugin, und so brüstete sich der SS-Mann mit der Versklavung des jüdischen Künstlers. Rein technische Worte findet er hingegen in seinem Kriegstagebuch für eine Massenerschießung, die im Film zitiert werden: "Die Todeskandidaten werden in drei Schichten eingeteilt, da nicht so viel Schaufeln hier sind. Eigentümlich, in mir rührt sich gar nichts, kein Mitleid - nichts - es ist eben so - und damit ist für mich alles erledigt ..." Dass er hundemüde zurückgekehrt sei, berichtet er weiter, und dann "wieder an die Arbeit" gehe: "Alles im Gebäude in Ordnung bringen."

Ob er bei der Rückkehr Schulz antraf? Wir wissen es nicht und können auch nicht erfahren, wie deren persönliches Verhältnis aussah. Festgelegt auf jene Spuren und Fragmente, die uns an die Hand gegeben werden, können wir nur ahnen, was für ein Mensch jener Schriftsteller war, der die Wirklichkeit als Schatten des Wortes beschrieben hat, dessen persönlicher, unvollendeter und zunichte gemachter Ausweg mithin möglicherweise die Kunst war und dessen visionäre Kraft sich in seinen Worten erweist: "Doch die offizielle Geschichte ist unvollendet. Sie enthält absichtliche Lücken, lange Pausen und Verschweigungen, in denen sich rasch der Frühling einnistet."

Benjamin Geißler ist angetreten, der Schulz'schen Aufforderung Folge zu leisten: "hinter diesem Wirrwarr den eigentlichen Text zu finden". Doch dieser Text ist lückenhaft und verschwiegen, und er muss immer neu gedeutet werden. Mit Bilder finden ist ein Schritt in diese Richtung getan. Doro Wiese

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KINO 5/2003 - Poland

Was geschah in Drohobycz

Tadeusz Lubelski

 

43. Filmfestival Krakau

Das diesjährige Krakauer Filmfestival findet vom 28. Mai bis 1. Juni statt. Die Auswahlkomission unter der Leitung von Jadwiga Głowy hat von fast 1300 angemeldeten Titeln 62 zum internationalen (die meisten, acht an der Zahl, aus Russland) und 40 zum nationalen Wettbewerb (in dem traditionellerweise Dokumentarfilme dominieren werden) zugelassen.

Von den Filmen, die sich um den Goldenen Drachen bemühen, erregen der diesjährige Oscar-Preisträger für den Kurzfilm "Der Er En Yndig Mand" des Dänen Strange-Hansen und „Listening von Kenneth Branagh besondere Aufmerksamkeit. Im nationalen Wettbewerb sind u.a. die neuen Werke von Michał Bukojemski, Grzegorz Królikiewicz und Maria Zmarz-Koczanowicz vertreten. Vier Filme haben sich für beide Wettbewerbe qualifiziert: der Trickfilm „Katedra“ (Kathedrale) von Tomasz Bagiński, der Spielfilm „Moje Miasto“ (Meine Stadt) von Marek Lechki und die Dokumentarfilme „Życie przed tobą“ (Das Leben vor dir) von Maciej Adamek und „Kraj urodzenia“ (Geburtsland) von Jacek Bławut.

Die Gewinner des Drachens der Drachen für ihr Gesamtwerk erhielten in diesem Jahr die englischen Animationskünstler, die Brüder Stephen und Timothy Quay; einen Essay über ihr Werk von Piotr Dumała veröffentlichen wir in der nächsten Nummer. Ein weiteres Ereignis des diesjährigen Festivals wird sicherlich die ausser Konkurrenz laufende, polnische Premiere des langen Dokumentarfilms von Benjamin Geissler „Odnaleźć obrazy“ (Bilder finden), der zur Gestalt von Bruno Schulz zurückkehrt. Aus diesem Anlass schreiben wir über diesen Film.

 

Der Film von Benjamin Geissler „Odnaleźć obrazy“ (Bilder finden) gehört zu den seltenen Beispielen dokumentarischer Werke, deren Erinnerung in der Kultur erhalten bleibt, nicht nur weil sie eine wichtige Abfolge von Ereignissen aufnehmen, sondern sie auch erschaffen. Überdies ist das Werk außergewöhnlich konstruiert, mit vielen Verknüpfungen und besonders dem polnischen Zuschauer eine Reihe neuer, unerwarteter Perspektiven eröffnend.

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Ausser den offensichtlichen Verbindungen – über die sogleich – enthält „Odnaleźć obrazy“ (Bilder finden) ebenfalls einige faszinierende, versteckte und unter der Oberfläche befindliche Verknüpfungen; darunter der Faden der Faszination für die Gestalt des Vaters.Über die Anwesenheit dieses Motivs in Schulz‘ Prosa erinnern hier nur Fragmente aus den „Zimtläden“ des Autors, die im Off in englischer Übersetzung gelesen werden und durch eine Serie von für den Film geschaffenen Bildern illustriert sind.Aber dieser Faden ist – obwohl direkt nicht benannt – durch den, mit der ersten Szene als Führer durch die Welt des Films auftretenden Christian Geissler, den Vater des Regisseurs, den ganzen Film hindurch präsent. Der 39-jährige, aus Hamburg stammende Dokumentarfilmer Benjamin Geissler ist seit Beginn an der deutsch-polnischen Grenzproblematik interessiert (sein letzter, in Oberschlesien spielende Film langer Dokumentarfilm „Skok czasu“ (Zeitsprung) wurde auf dem Krakauer Festival vor drei Jahren gezeigt). Diesen Film jedoch drehte er auf Anregung seines Vaters. Der alte Schriftsteller Christian Geissler (sein Buch „Grzech ojców“ (Die Sünde der Väter - Anfrage) von Beginn der 60er Jahre spielte in der deutschen Literatur eine Pionierrolle bei der Eröffnung um die Debatte über die deutsche Schuld in den Jahren des 2. Weltkriegs), ist seit Jahren von der Literatur Bruno Schulz‘ und seiner Person zugetan begeistert und stecke mit dieser Liebe seinen Sohn an. Insbesondere aber suggerierte er ihm das Thema des Dokumentarfilms, auf das er selbst wiederum durch die Lektüre der biografischen Arbeiten von Jerzy Ficowski stieß (der übrigens auch in dem Film auftritt): das Thema der Fresken, die der Künstler während der Besatzung im Auftrag seines hitlerfaschistischen „Protektors“ Felix Landau malte, und die es noch zu entdecken galt. Der Sohn nahm sich des Themas an und setzte den Vater in die ihm zustehende Rolle als die die Untersuchung treibende Kraft-. Im Februar 2001 begab sich das Filmteam nach Drohobycz und machte sehr schnell, nach nur wenigen Tagen diese fantastische Entdeckung. In der Wohnung, die während der Besatzung vom Gestaporeferent Landau und heute von dem kranken russischen Ehepaar Kaluznyj benutzt wurde, fand Geissler in dem früheren Kinderzimmer, das zur Speisekammer umgebaut worden war, die Fresken, die niemandem zuvor gelungen war zu finden.

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Das Motiv dieser Fresken, die vor den Augen des Zuschauers entdeckt werden, ist also auf der äußersten Wahrnehmungsebene das Hauptthema des Films. Seiner natürlichen Dramaturgie folgt der Dokumentarfilm. Wir werden Zeugen, wie Alfred Schreyer, ein früherer Schüler von Schulz die Filmemacher zu seiner polnischen Bekannten Apolonia Kluegler führt, wie er auf ihren Rat bei den Kaluznyjs anruft und bestätigt, dass sie in der früheren Wohnung von Landau wohnen. Wir beobachten, wie das Team in die Wohnung der Kaluznyjs kommt und sich zum ersten Mal auf den Spuren der Fresken in die Speisekammer zwängt. „Gott sei Dank!“ ruft Christian Geissler aus. Sie sind da! Wie kann man sie filmen? „Das ist ein Wunder“ setzt Alfred Schreyer nach. Das ist ein Wunder. Schließlich waren sie die ganzen Jahre da, nur ist es niemandem gelungen ihnen auf die Spur zu kommen. Erst jetzt legen dank der Filmemacher die Experten der polnisch-ukrainischen Komission, Agnieszka Kijowska und Wojciech Chmurzyński aus Warschau und Borys Woznicki aus Lemberg, Einzelheiten der Wandmalereien frei. „Ach mein Gott“ platzt Woznicki heraus, „Allmächtiger Gott!“ setzt Chmurzyński hinterher „ das erinnert an seine Selbstporträts“

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Je länger der Film dauert, desto besser beginnen wir jedoch zu verstehen, dass sein eigentlicher Held weder der polnische Künstler Bruno Schulz, noch der deutsche Schriftsteller Christian Geissler ist, der die Zuschauer auf seine Spuren führt. Der eigentliche Held der „Bilder“ ist die gesamte bunte und vielsprachige Schar der Menschen, die, auf unterschiedliche Weise mit der Geschichte Schulz‘ verbunden, jetzt vor der Kamera von Benjamin Geissler erscheinen. Oder sogar nicht eigens erscheinen, sondern nur auf Bildern oder Grabinschriften, wie der geheimnisvolle Felix Landau (1910-1983), oder nur als Stimme am Telefon, wie in dem Fall des heute in Australien lebenden Wolf Dieter Landau, damals vierjähriger Bewohner des Kinderzimmers, der sich jedoch an die für ihn gemalten Fresken nicht erinnert. Alfred Schoenfeld aus Paris, Yehuda Bronicki und Benio Loeffelstiel aus Israel, Dora Kacnelson und Maurycy Weiss aus Drohobycz und Wilhelm Koch aus Stuttgart, alle erzählen sie uns Bruchstücke der Geschichte vor Jahren, aber gleichzeitig enthüllen sie ein Teilchen ihrer eigenen Geschichte und wir fühlen, dass jeder von ihnen gleich gut Held eines Dokumentarfilms werden könnte. Das unbegreifliche Gewirr ihrer aller vergangenen und zukünftigen Schicksale war sicher das eigentliche Thema, das seinerzeit Bruno Schulz zu fassen träumte.

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Badische Zeitung vom Samstag, 8. Juni 2002
Der Maler und seine Mörder

Wohin mit den wiedergefundenen und entführten Fresken des Bruno Schulz? / Von Walter Mossmann

Sie hielten sich damals in Drohobycz ihre Leibjuden als Nützlinge, so wie man sich Hunde hält. Nein, schlimmer: Denn den Juden stand die Tötung bevor, das war längst entschieden. Ungewiss nur noch Zeitpunkt und Todesart. Vielleicht eine Erschießung im Wald von Bronica, wo sich die Opfer ihre Gräber selbst schaufeln mussten; oder Tod durch Verhungern im Ghetto; oder die Gaskammer im Konzentrationslager Belzec, die Transporte dorthin nannte man mit brutaler Ironie "Aussiedlung".

Der SS-Oberscharführer Karl Günther beispielsweise hielt sich einen jüdischen Zahntechniker namens Löw als seinen persönlichen Zahnarzt. Der SS-Hauptscharführer Felix Landau wiederum, der einen Sinn fürs Schöne hatte, hielt sich einen Zeichen-und Handarbeitslehrer namens Bruno Schulz als seinen Maler, als Hofmaler sozusagen. Die Schreibtische von Günther und Landau im Gestapohauptquartier standen schräg gegenüber auf einer Etage. Die beiden Männer waren Konkurrenten. Sie hassten einander.

Felix Landau, genannt "der Judengeneral", damals 31 Jahre alt, ein Kunsttischler aus Wien mit vorbildlicher Parteikarriere, Träger des "Blutordens der NSDAP", übte eine gewisse Macht in Drohobycz aus. Er war zuständig für Organisation und Zuweisung der jüdischen Arbeitssklaven an Betriebe, Baustellen, Haushalte. Auf den Ausweisen stand "Arbeitskräfte bis auf weiteres" - Tote auf Abruf also, vorübergehend Gerettete. Landau bewohnte mit zwei Kindern aus erster Ehe und seiner Geliebten, der schönen Trudi, eine beschlagnahmte, gotisch gestylte Villa in der St.-Jan-Straße. Er galt als ein äußerst effektiver Organisator, gefühllos beim Töten, wie er selbst in seinem Tagebuch notierte, und er betrieb auch völlig schamlos eine sehr geschickte persönliche Bereicherungspolitik, was er im speziellen Nazihumor so formulierte: "Mir geht es gut. Die Juden sorgen für mich, dafür schicke ich sie in den Himmel."

Warum er sich gerade Bruno Schulz als seinen Leibjuden hielt? Gewiss nicht, weil dieser kleine, zarte Mann in der Vorkriegszeit mit den "Zimtläden" und dem "Sanatorium zur Todesanzeige" Weltliteratur geschrieben hatte, das konnte Landau nicht wissen. Aber er wusste, dass Schulz, geboren 1892, ein bekannter Zeichner und Graphiker war, ein Maler, also gab er ihm Aufträge - der Nazi-Mörder als Kunstmäzen. Derartige Aufträge bedeuteten für Schulz nicht Rettung, aber Aufschub. Er malte also Fresken in Landaus "Reitschule", oder im SS- und Gestapo-Casino, und er bemalte auch die Wände des Kinderzimmers in der Landau-Villa mit Märchenmotiven.

Derweil geht in Galizien das industriell organisierte Morden, genannt "die Endlösung", seinen Gang. Die Spielregeln werden weitgehend eingehalten, das heißt, die Deutschen machen weitgehend widerspruchlos ihren Job, die Juden gehen widerspruchslos ins Gas. Selten werden die Spielregeln verletzt: Am 19. November 1942 greift in Drohobycz der jüdische Apotheker Reiner den Gestapomann Hübner mit einer Feuerwaffe an, erfolglos zwar, aber folgenreich. In den Augen der deutschen Herrenmenschen hat der Jude die Spielregel verletzt, sie brausen auf, sie schießen im heiligen Zorn den ganzen Tag über jeden Juden ab, der durch die Nurastraße heraufkommt, 230 insgesamt. Teils kennt man diese Leute persönlich, wenn nicht, dann hilft das Abzeichen des "Davidsterns", dafür wurde er ja eingeführt, er soll die Opfer kenntlich machen.

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An diesem Tag erschießt Felix Landau beiläufig dem Oberscharführer Günther seinen Zahnarztjuden Löw, und Karl Günther erschießt zur Vergeltung dem Landau seinen Malerjuden Bruno Schulz, als der den täglichen Weg aus dem Ghetto herauf in die Oberstadt kommt. Dort oben befinden sich nämlich nicht nur die diversen Arbeitsplätze des Malers, sondern auch das Büro des Judenrats, wo man den Bezugschein für Brot (ein Pfund pro Woche) abholen muss. Karl Günther habe Bruno Schulz in der Nurastraße gestellt und mit zwei Schüssen liquidiert.

Nach dem Krieg war Drohobycz eine andere, eine sowjetische Stadt: die Juden, die fast die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht hatten, von den Deutschen ermordet; die Polen im Zuge von Stalins ethnischen Säuberungen nach Westen verschoben. In die freigewordenen Wohnungen strömten ukrainische Familien aus den Dörfern und Kleinstädten. Eine harte Zeit, bestimmt von den Mühen des Wiederaufbaus, von massenhaften Deportationen der verdächtigen Ukrainer nach Sibirien und Kasachstan und vom stalinistischen Aufbaupathos - man war "der Zukunft zugewandt". Keine Zeit, um über die ermordeten Bewohner der Stadt zu trauern oder an sie zu erinnern, besonders, da sie ja nicht zu den "Eigenen" gehörten. Und so mischte sich der sowjetische Antisemitismus der Nachkriegszeit recht praktisch mit der Angst, erwischt zu werden wegen Kollaboration mit den Nazis oder Arisierungs-Gewinnlertum - das Ergebnis (nicht anders als im Westen): Schweigen. Verdrängung. Selbstmitleid.

Der Dichter und Maler Bruno Schulz geriet vollkommen in Vergessenheit. Unzählige Menschen müssen an seinen Fresken in Drohobycz vorbeigegangen sein damals, ohne sich dafür zu interessieren. Wichtige Manuskripte gingen verloren, zusammen mit den Freunden, denen sie anvertraut waren - im Gas, in Bränden, auf Fluchten. Manche Briefe, immerhin, fanden sich später auf irgendwelchen vergammelten Dachböden. Trotzdem: Im sowjetischen Herrschaftsbereich blieb Bruno Schulz persona non grata, ein postum noch unterdrückter Autor, "bürgerlich dekadent", oder, wie ein kenntnisreicher sowjetischer Zensor schon 1940 erklärt hatte: "Wir brauchen keine Prousts".

In Polen aber gab es eine Handvoll Menschen, die nicht von ihm abließen, und für einen von ihnen, den Dichter und Literaturwissenschaftler Jerzy Ficowski, wurde Bruno Schulz zur Lebensaufgabe. Er ließ niemals locker. Zwar war Bruno Schulz schon seit 1934, als die "Zimtläden" erstmals erschienen, in der literarischen Welt Polens eine Berühmtheit gewesen, aber in Nachkriegspolen dauerte es bis in die so genannte "Tauwetterperiode" drei Jahre nach Stalins Tod 1956/57, dann endlich konnten seine erhaltenen Werke wieder veröffentlicht, kommentiert und diskutiert werden.

Dann in den 60er-Jahren der Durchbruch weltweit, Übersetzungen in alle europäische Sprachen, Ausgaben in Nord-und Lateinamerika, in Japan, in den Ostblockländern, nur die UdSSR - und darin lag ja inzwischen die Stadt Drohobycz, von der Bruno Schulz Zeit seines Lebens nicht loskam - blieb verschlossen.

Allerdings, die literarische Szene der Westukraine nahm den Schriftsteller und Maler auch ohne Erlaubnis zur Kenntnis, und zwar sehr viel früher als die russische; 1983 wurden Texte von Bruno Schulz in Iwano-Frankiwsk von Mykola Jakowyna und Taras Wozniak ins Ukrainische übersetzt und in Paris publiziert. 1989 erschienen die "Zimtläden" erstmals auch in der UdSSR, aber nicht in Moskau, sondern in der ukrainischen Übersetzung von Iwan Hniatjuk in der renommierten Lemberger Kulturzeitschrift Zhowten (Oktober).

Dann brachte 1995 der Lemberger Proswita-Verlag die "Zimtläden" und "Das Sanatorium zur Todesanzeige" in einer neuen Übersetzung von Andrij Schkrabjuk heraus, Auflage 5000, nach vier Jahren vergriffen wie viele andere Bücher auch - für eine Neuauflage fehlt nicht der gute Wille oder das literarische Interesse, sondern das Geld.

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Ein gängiges Stereotyp lautet, und Helga Hirsch hat es jüngst auch in der FAZ wiederholt, dass in der Westukraine Bruno Schulz eigentlich völlig unbekannt und unerwünscht sei. Doch auch dort gibt es nicht nur provinzielle Ignoranz und Borniertheit, wie sie überall auf der Welt, auch in Limburg, Lahnstein oder Freiburg, vorkommen können, sondern eine erstaunlich große Zahl von Schulz-Kennern und -Bewunderern, beispielsweise die Schriftsteller Taras Prochasko und Jurij Andruchowytsch aus Iwano-Frankiwsk und die Lemberger Maler Jurij Koch und Wolodja Kaufmann. Und: Selbstverständlich liest jene polyglotte westukrainische Szene die Bruno-Schulz-Texte im polnischen Original.

Man hatte sich längst damit abgefunden, dass ein großer Teil der Werke von Bruno Schulz unwiederbringlich verloren waren, Briefe, Novellen (darunter auch ein Text in deutscher Sprache), ein Romanmanuskript, zahlreiche Zeichnungen und Grafiken, und offenbar auch alle Fresken aus der Zeit der deutschen Besatzung, nach denen vor allem Jerzy Ficowski seit den 60er-Jahren in Drohobycz vergeblich gesucht hatte. Dann am 9. Februar 2001 eine Sensation, die durch die internationalen Medien ging: Benjamin Geissler hat die Wandmalereien im ehemaligen Kinderzimmer der "Landau-Villa" gefunden.

Nach jahrelangen Recherchen war der Hamburger Filmemacher Benjamin Geissler mit seinem Vater, dem Schriftsteller Christian Geissler, nach Drohobycz gefahren, um dort einen Teil der Aufnahmen für den Film "Bilder Finden" zu drehen. Zum Team gehörte auch der Joseph-Roth-Übersetzer Jurko Prochasko aus Lemberg. Und in der Tat, in einer Abstellkammer, die damals offenbar als Kinderzimmer gedient hatte, fanden sich unter verschiedenen Schichten Putz die Märchenmotive, von denen einige Zeitzeugen gesprochen hatten: Königin, Flötenspieler und Narr, Kutsche, Pferdekopf. Weitere Motive blieben zunächst noch verborgen.

Benjamin Geissler vermutet eine zusammenhängende Komposition dieser Wandmalereien, mit vielen Querbezügen und Bezügen zu den Menschen, unter deren Herrschaft Bruno Schulz damals in seiner Drohobyczer "Sixtina" in der St.-Jan-Straße arbeitete, einige frappierende Überblendungen hat er in seinem Film schon gezeigt. Das deutsche Publikum wird Geisslers Suche und seinen Funden und Assoziationen vermutlich im Winter selbst folgen können, denn die internationale Fassung hat am 19. November 2002 (dem sechzigsten Todestag von Bruno Schulz) in New York Premiere, danach kommt der Film auch bei uns zuerst ins Kino, dann bei Arte ins Fernsehprogramm.

Aber schon durch den phantastischen Fund in Drohobycz machte der Film lange vor seiner Fertigstellung weltweit Schlagzeilen, zuerst in der Ukraine und in Polen, dann schrieb Jurko Prochasko einen Artikel in der Zeit, schließlich konnte man darüber in Amerika lesen und auch in Israel, und so kam dann letztendlich ein ganz erstaunlicher Kulturkrimi ins Rollen. Während sich noch das Filmteam und einige polnische und westukrainische Gruppen Gedanken machten über eine vernünftige Restaurierungsstrategie und das Projekt einer Gedächtnis-und Begegnungsstätte in der vormaligen "Landau-Villa", schafften andere unverhoffte Gäste Fakten, die alle diese Projekte zu pulverisieren drohen.

Denn schon im März war aus Israel Mark Shraberman vom ehrwürdigen Holocaust-Dokumentationszentrum Yad Vashem angereist. Der Mann sprach ukrainisch und führte allerlei geheime Verhandlungen mit den lokalen Behörden, reiste wieder ab und kam einen Monat später zurück in Begleitung von zwei Restauratoren, und am 21. Mai waren drei der bis dahin freigelegten vier Fresken aus dem Mauerwerk herausgelöst und kurz danach ohne jede Schwierigkeit über die Grenze nach Israel transportiert worden. Im Anschluss an diese Aktion gab Yad Vashem eine recht seltsame Erklärung ab: Man habe mit Hilfe des Bürgermeisters und des Kulturamtsleiters von Drohobycz das Zimmer mit den Wandmalereien von Bruno Schulz gefunden und die Werke nach 55 Jahren Nichtbeachtung vor dem Verfall gerettet.

Das war nun eine ziemlich unverfrorene Behauptung, denn gefunden haben die Fresken ganz offenkundig Benjamin Geissler und sein Team, und Herr Shraberman hat davon nur deshalb in seiner Zeitung lesen können, weil die Filmleute ihren Fund veröffentlicht haben. Zur Frage der illegalen Ausfuhr dieser Kunstobjekte heißt es dann weiter in aller Scheinheiligkeit: Yad Vashem habe eine schriftliche Einwilligung der gegenwärtigen Wohnungsinhaber und eine schriftliche Erlaubnis des Bürgermeisters von Drohobycz, der werde ja wohl die Landesgesetze kennen. Aber bekanntlich muss jeder Reisende, also auch Herr Shraberman, vor der Ausreise aus der Ukraine eine Zolldeklaration unterschreiben, aus der hervorgeht, dass die Ausfuhr von Kunstgegenständen ohne Plazet aus Kiew illegal ist.

Nein, der Diebstahl der Fresken wurde ganz offenkundig nach den üblichen postsowjetischen Methoden durchgeführt: Das Rentnerpaar, das inzwischen in der Landau-Wohnung lebt, bekam 100 Dollar in die Hand gedrückt, worauf die gute Frau Kaluzhny eine völlig irrelevante "Einwilligung" unterschreiben musste. Was der damalige Bürgermeister Drohobycz, Oleksyj Radzijewskyj, in die Hand gedrückt bekam, entzieht sich unserer Kenntnis; ebenso rätselhaft bleibt, welche Kosten die illegale Grenzüberschreitung verursacht hat.

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Und um das Maß vollzumachen, setzte die damalige Stadtverwaltung im März 2002 das Zerstörungswerk fort, das Mark Shraberman in der Landau-Villa begonnen hatte. Man ließ fünf weitere Bildmotive freilegen, aus der Wand herausschlagen und deponierte die Mauerfragmente in der örtlichen Gemäldegalerie. Die aus Lwiw und Kiew angereisten Journalisten bekamen nur die Rückseite der Fragmente zu sehen, aber in dem zahlungskräftigen polnischen Massenblatt Gazeta Wyborcza waren die Fresken abgebildet - die böse Fee, der weiße Ritter, eine Katze, zwei Kinder, Landschaft. Aber es bleibt dabei: Die Komposition des ganzen Ensembles ist zerstört, es wird schwer sein, alles wieder zu rekonstruieren.

Keine Frage: Wenn die gängigen Klischees über die Westukraine zuträfen, dann hätte möglicherweise die Position von Yad Vashem etwas für sich. Wenn es also in Lwiw und Drohobycz und Ternopil und Iwano-Frankiwsk nur dieses dumpfe, permanent beleidigte nationalistische Auftrumpfen und die bornierte, alles Fremde ausschließende Nabelschau auf die "ureigene" ukrainische Folklore gäbe.

Aber natürlich existiert in der heutigen Ukraine schon längst auch eine ganz anders gestimmte Szene. Vor allem junge, gebildete Leute, die sich zwar durchaus selbstbewusst als ukrainische Staatsbürger verstehen, die sich aber genauso selbstverständlich auch regional - und damit zwangsläufig grenzüberschreitend - als Bewohner Galiziens identifizieren, mit allen seinen multikulturellen Traditionen. Die also auch ganz mühelos deutschsprachige Autoren wie Joseph Roth oder polnischsprachige wie Bruno Schulz im regionalen Kontext lesen können. In dieser Szene finden sich dann auch Historiker der jüngeren Generation wie der international renommierte Jaroslaw Hrytsak, die erstmals nichtdogmatisch und nichtapologetisch über die komplizierte Geschichte der ukrainischen Kollaboration forschen und öffentlich diskutieren können und wollen.

Auch in der New York Review of Books wird zur Zeit eine heftige Debatte über die Frage geführt, wohin denn nun die Fundstücke aus Drohobycz gehören. Die Yad-Vashem-Sprecher drückten noch einmal ihr tiefes Misstrauen gegenüber der westukrainischen Indifferenz und Ignoranz aus und verstiegen sich in der Ausgabe vom 23. Mai zur Aussage, vielleicht werde nur dank Yad Vashem die Erinnerung an Drohobycz nicht untergehen. Darauf antwortete eine Gruppe von Wissenschaftlern um Padraic Kenney und John Connelly mit dem Hinweis, Yad Vashem täte besser daran, Partnerschaften in Mitteleuropa aufzubauen. Dann bräuchte man nicht solche Zerstörungen anzurichten wie an den Wänden der Landau-Villa, und dann könnten die Erinnerungen an Drohobycz am richtigen Ort in eine Gegenwart hineinwirken, die noch so schwer belastet ist von den Folgen des Sowjetsystems und des Kalten Krieges.

Die Debatte um die gefundenen Bilder ist noch längst nicht ausgestanden, weder für Yad Vashem noch für die Lokalpolitiker in Drohobycz. Und das Projekt einer dem Dichter und Maler Bruno Schulz gewidmeten Studien- und Begegnungsstätte ist noch keineswegs aufgegeben.

- Walter Mossmann (61) ist freier Autor und lebt in Freiburg und Lwiw.

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DIE ZEIT -  Nr. 12 , 2001  - K U N S T

Märchenbilder für den Mörder

In einer alten SS-Villa in der Ukraine wurden Wandmalereien des Dichters Bruno Schulz gefunden

Von Jurko Prohaska

 

Am 9. Februar 2001 haben der Hamburger Dokumentarfilmer Benjamin Geissler, sein Vater, der Schriftsteller Christian Geissler, und eine kleine internationale Crew unter mindestens drei verschiedenfarbigen Übermalungen an den Wänden der Vorratskammer einer Villa im ostgalizischen Drohobycz, heute Ukraine, die Bilder von Bruno Schulz wieder gefunden. Es ist eine berühmte Villa, und es ist ein berühmter Dichter, der die Bilder gemalt hat; berühmt geworden sind sie aber durch den SS-Mann, der in dieser Villa gelebt hat und zum Zeitvertreib auf jüdische Passanten zu schießen pflegte. Sein Name ist Felix Landau.

 

Wenn das heutige Ostgalizien in seiner morbiden Schönheit und seinem malerischen Verfall an Kuba erinnert, so ist Drohobycz zweifelsohne sein Havanna. Die große Epoche der Stadt begann in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als in der Gegend die größten Erdölvorkommen der Donaumonarchie entdeckt worden waren, und endete 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen. Heute sind die Quellen ausgeschöpft, Villen und Paläste der Naphthamagnaten heruntergekommen, das Elend der Ukraine fördert nur die Emigration und den Straßenhandel.

Drohobycz wäre zweifellos auch ohne Bruno Schulz und Felix Landau zu Weltruhm gelangt; aber nur in den immer kleiner werdenden Kreisen von Alt-Drohobyczern. Über die ganze Welt sind sie und ihre Nachfahren verstreut. Es sind Polonistikprofessoren in Breslau und Bibliothekare in Krakau, Antiquitätenhändler in Wien und Immobilienhändler in St. Petersburg, Tagebuchverfasser i. R. in Cleveland, München oder Haifa, Schwiegertöchter der russischen Außenminister in Moskau oder Psychoanalytiker in Kiew.

 

Ohne Bruno Schulz wären die Erinnerungen an Drohobycz bei den wenigen überlebenden Juden, bei den vielen polnischen Nachkriegsflüchtlingen gewiss nicht minder unauslöschlich. Durch Schulz aber haben all diese Weltdrohobyczer eine Formel, mit der sie die Arithmetik ihres Lebens sich selber und den anderen gegenüber besser veranschaulichen können, eine magische Formel, die, wenn es darauf ankommt, immer wirksam bleibt.

Bruno Schulz wäre auch ohne seine Bilder berühmt geworden. Die zwei schmalen Bände seiner Prosa, Die Zimtläden (1934) und das Sanatorium zur Todesanzeige (1937; deutsch bei Hanser), sind Weltliteratur geworden. Doch war er auch ein Zeichner; und sein grafisches Werk ist dem literarischen kongenial. Er zeichnete gnadenlos schöne, nackte Mädchen, vor denen sich Männer mit stets demselben leidenschaftlich entstellten Gesicht auf dem Boden krümmen; fantasmagorische Nachtszenen und grotesk breit angelegte Revolutionen in der gemütlich-bedrohlichen Enge des Schtetls. Die Versuche, Weltmensch zu werden, endeten für Schulz immer wieder und für immer in Drohobycz. Statt eines Studienabschlusses in Wien, statt Erfolgen in Pariser Galerien erkämpfte er sich eine Gymnasiallehrerstelle im bürokratischen Universum der Zweiten Polnischen Republik.

 

Vor 1941 wäre Schulz allerdings nie auf die Idee gekommen, Wandbilder zu malen. Er hatte jedoch schon 1939 Erfahrung mit dem Malen von riesengroßen Stalin-Bildern auf Leinwand machen müssen. Aber auch nach der Nazibesatzung Drohobyczs ist er nicht selbst auf die Wandmalerei gekommen. Vielmehr wurde er darauf gebracht. Diese Technik war nicht seinem Werk, sondern seinen neuen Lebensumständen kongenial.

1941 wird der in Wien geborene SS-Hauptscharführer Felix Landau nach Drohobycz versetzt, wo er sich bald "Judengeneral" nennen lässt. Zusammen mit ihm kommen zwei Kinder aus erster Ehe und seine neue Lebensgefährtin. Sie beziehen eine Wohnung im schönen und für Drohobyczer Verhältnisse ziemlich originellen Haus, das bis heute die "Landau-Villa" genannt wird. Für die Freundin, die er kurz darauf heiratet, führt Landau ein Tagebuch, in dem er eingehend seine Teilnahme am Judenmord beschreibt. Aus einem Gefühl der Gemeinsamkeit heraus macht das junge Ehepaar auf dem Balkon ihrer Villa Schießübungen; manchmal auf die in der gegenüber liegenden Gärtnerei arbeitenden jüdischen Mädchen, manchmal einfach auf Passanten.

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Die Kunstfreunde der SS im Streit um ihre Hofjuden

Doch auch für die Kunst schlägt Landaus Herz. Er leitet eine Reitanstalt für die SS und Gestapo und lässt deren Wände mit Malereien von einem gewissen Gymnasiallehrer schmücken, von dem man sagt, er sei ein großer Künstler. Es folgen Aufträge für andere mit dem gesellschaftlichen Leben der Besatzer verbundene Räumlichkeiten. Sein begabter Hofjude ist Bruno Schulz. Er soll auch das Kinderzimmer seiner Villa mit deutschen Märchenbildern bemalen.

Doch nicht nur Landau hat einen Hofjuden. Der SS-Mann Karl Günter hält sich einen jüdischen Zahnarzt, der eines Tages bei den Schießübungen Landaus ums Leben kommt. Günter sinnt auf Rache. Am 19. November 1942, am Tag, der später "schwarzer Donnerstag" genannt wird, wird im Zuge einer wilden und spontanen Strafaktion, in der etwa 230 Drohobyczer Juden ums Leben kamen, Bruno Schulz auf der Straße von Karl Günter erschossen.

Es vergingen Jahre nach dem Krieg, bis man sich, zunächst in Polen, wieder an Schulz erinnerte. Drohobycz aber gehörte inzwischen zur UdSSR. Zehn Jahre lang, von 1948 bis 1958 wohnten Menschen in der Wohnung Landaus und konnten jeden Tag die Märchengestalten an den Wänden des kleinen Raumes sehen: König und Königin, Flötespieler und Tänzer, Pferdekutsche, Zwerge und ein Ungeheuer. Doch sie ahnten nichts von Schulz. Niemand durfte damals in der UdSSR etwas von Schulz ahnen. Erst nach weiteren zehn Jahre durften polnische Forscher, allen voran Jerzy Ficowski, Dichter, Schulz-Kenner und ehemaliger KZ-Häftling, nach Drohobycz. Doch die Malereien waren überall längst zugedeckt oder entfernt. Ficowski suchte die Bilder, fand sie aber nicht.

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Bilder finden heißt nun aber der Film, den Benjamin Geissler und sein Vater über ihre tatsächliche Entdeckung der Wandmalereien zu drehen begonnen haben. Zunächst waren alle skeptisch, ob sie sich finden ließen, auch ich, als Benjamin Geissler mich anrief und fragte, ob ich sein Assistent bei den Dreharbeiten sein wolle. Wir nahmen Quartier in derselben Straße, in der das Waisenheim, die Tuberkuloseklinik, die Gärtnerei und die Villa Landau stehen. Ein kreativer polnischer Architekt, heißt es, habe die Villa für sich bauen lassen. In der Zwischenkriegszeit waren dort Polizeizentrale und Wohnung des Polizeichefs. Unheimlich spitz ist das hohe Dach. Vielleicht deshalb ist sie Landau gleich ins Auge gestochen.

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Und natürlich auch, weil der Polizeichef ja wegmusste. In der Wohnung lebt jetzt ein altes Ehepaar. Das Kinderzimmer ist ihre Vorratskammer. Leer ist sie nicht, doch Glück ist hier nicht zu Hause. Noch zwei Wochen vor dem Tag, als wir an ihre Tür klopfen, lebte hier auch der Sohn. Er ist kurz vor seinem 50. Geburtstag gestorben. Die alte Frau trägt Schwarz und weint die ganze Zeit. Der Mann liegt mit einem gebrochenen Gelenk seit einem halben Jahr im Bett und richtet sich nicht auf. Die Frau lässt uns großzügig die Wände besichtigen. Ich verstehe nicht, warum die anderen vor uns die Bilder nicht gesehen haben. Vielleicht konnten sie nicht glauben, dass die Kinder des großen Landau in einem so kleinen Zimmer gewohnt haben, und suchten in den großen Zimmern. Vielleicht sind die Umrisse erst mit der Zeit unter den Übermalungen wieder hervorgetreten.

Wir aber haben sie gesehen, schattenhaft, undeutlich: Tänzer und Flötenspieler, Zwerg und Pferdekopf ... Die Frau wusste nicht, dass in ihrer Wohnung die Bilder sind. Sie wusste nicht, wer Bruno Schulz ist. Sie hat nur von Landau gehört. Sie lebt in ihrem Unglück, freut sich für uns, doch bleibt selbst trostlos.

 

Die nächsten Stunden und Tage wird telefoniert, verhandelt, beraten: mit der deutsche Botschaft, dem ukrainischen Kulturminister, dem Filmförderer BKM, dem polnischen Kulturminister, dem Goethe-Institut, mit Jerzy Ficowski. Die Ruhe für die Bewohner soll gewährleistet, gleichzeitig die Freilegung und Begutachtung organisiert werden. Der Regisseur muss auch im Leben Regie machen können. Eine Woche später kommen schließlich eine junge Restauratorin aus dem Nationalmuseum in Warschau, die einige Wochen davor die Wandbildern in einer Pharaonengruft in Ägypten freilegte, der grippekranke polnische Generalkonsul, zwei Experten aus Lemberg und aus Warschau, schließlich der beunruhigte Kulturbürgermeister von Drohobycz und Alfred Schreier, einer der zwei noch lebenden Schüler von Schulz.

Mehlsäcke und Gläser mit Eingemachtem werden hinausgetragen, Knoblauch und Siebe vorsichtig von den Wänden abgenommen. Die Frau in Schwarz hilft und weint. Der Raum ist sehr eng. An einer Wand sind Holzregale montiert, das macht den Raum noch kleiner. Denkt man diese weg, so kann man sich ganz gut ein oder gar zwei Kinderbetten hier drin vorstellen. Die Geräte der Restauratoren unterscheiden sich von denen der Filmer durch ihre bestechende Einfachheit: nur Skalpell und Watte und Wasser und Spucke. An mehreren Stellen gelingt es, kleine Fragmente freizulegen. Auch hinter den Regalen werden Bilder vermutet und gefunden. Und dann treten sie hervor: Prinzessin und König, Reiter und Tänzer, Pferdekutschen und Zwerge; ein Ungeheuer. Schulz ist es ohne Zweifel. Seine Technik ist es nicht, dafür sind es seine Gesichter.

 

Jetzt müssen die Politiker über das künftige Schicksal der Wandmalerei verhandeln, die Kunstexperten in Polen und der Ukraine die Modalitäten der Konservierung abstimmen, die Stadtväter die alte Frau beruhigen. Ein Museum für Bruno Schulz sollte dort eingerichtet werden, wo er erniedrigt und missbraucht wurde, wo sein Mitmörder wohnte und wo jetzt seine für dessen Kinder gemalten Bilder wohnen. Ersatzwohnungen müssen gefunden, Geld dafür und für die Restauration schleunigst gesucht werden. Die Stadt alleine kann es nicht aufbringen. Die Geisslers sind nach Deutschland zurückgefahren, um Mäzene zu finden.

Der Autor lehrt Literaturwissenschaft in Lemberg

(c) DIE ZEIT 12/2001

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Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Galizien - Ukraine - Polen - Drohobycz

Galizien war, wie kaum eine andere Region Europas, unter der Herrschaft und den Interessen unterschiedlichster Reiche, Staaten, politischer Systeme und Religionen.

Nach den Teilungen Polens im 18. Jh. durch Preußen, Österreich und Rußland fällt Galizien 1772 zum Habsburger Reich. Die sozialen Strukturen des polnisch-lithauischen Reiches blieben unter Österreich im wesentlichen erhalten, so daß religiöse, sprachliche und soziale Konflikte weiter bestanden.

Lwow (deutsch Lemberg), die heutige Hauptstadt des urkrainischen Oblast L'viv und damalige Hauptstadt der österreichischen Gebiete Galizien und Lodomerien, war mit seiner polnischen Universität ein Zentrum des polnischen Nationalismus. War für den polnischen Nationalismus die katholische Kirche der institutionelle Kristallisationskern, so war es für den ukrainischen Nationalismus die zum Vatikan gehörende unierte Kirche mit ruthenischem (ukrainischem) Ritus. Immer wieder kam es in den Jahrhunderten zu Verfolgung und Progromen gegen die galizischen Juden, die teilweise auch von Kirchenvertretern gefördert wurden. Erst 1867 erfolgte im Zuge der Josephinischen Reformen eine rechtliche Gleichstellung, die die Juden 'zivilisieren' sollte.

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Mit Beginn der Erdölförderung bei Drohobycz bildete sich dort ein jüdisches Proletariat. Knapp 15% der jüdische Bevölkerung arbeitete in der Landwirtschaft. So führten die staatlichen Lockerungen auch dazu, daß es wieder häufiger jüdische Schankwirte, Steuerpächter und Gutshofverwalter gab. Dadurch gerieten Juden als Mittler zwischen Stadt und Land, Gutsbesitzern und Bauern nicht nur in die zunehmenden sozialen und ökonomischen Konflikte in der Zeit der Industrialisierung, sondern auch in die sich zuspitzenden nationalen und religiösen Gegensätze von Polen, Ruthenen und Deutschösterreichern, von Katholiken, Russisch-Orthodoxen und Unierten. Galizisch-polnische Politiker, benutzten die Juden, um Stimmung gegen die habsburgische Verwaltung zu machen und den Zorn der Bauern von den polnischen Grundbesitzern abzulenken.

In dieser Zeit gründen nationalrevolutionäre und marxistisch gesinnte Studenten aus Charkow die 'Revolutionäre Ukrainische Partei, aus der 1905 die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei' hervorgeht.

Der 1. Weltkrieg, auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, bedeutete der sechs Jahre Kriegs- und Bürgerkriegsverwüstungen: Mit dem Zusammenbruch Deutschlands und Österreich-Ungarns verloren diese beide Länder ihren Einfluß auf das Gebiet der Ukraine. Als am 13. November 1918 in Lemberg eine Westukrainische Volksrepublik ausgerufen wurde, griffen polnische Truppen sofort an und eroberten noch im November Lemberg. Die Alliierten gestatteten der neu gegründeten Republik Polen, das sich nun auf der Seite der Sieger sah, die Besetzung dieses Gebietes im Osten bis zur alten österreichisch-russischen Grenze. Zwischen der Roten Armee und den antibolschewistischen weißen Truppen des General Denikin, der von 1919-1920 eine Militärdiktatur in der östlichen und südlichen Ukraine errichtet hat, kommt es zu erbitterten Kämpfen. Unter der weißen Militärdiktatur formiert sich auch die sogenannte 'Liga zur Vernichtung der Juden', die jedes Mitglied verpflichtet, in seinem Leben 500 Juden 'auszurotten' und für jedes Opfer ein Entgelt von 1000 Rubel zahlt. Im April 1920 schloß Polens nationalistischer Führer Pi³sudski einen Vertrag mit Petljura, dem starken Mann des weißen ukrainischen Militärstaates. Wenige Tage danach marschierten Polen in die Ukraine ein und besetzten am 7. Mai Kiew. Uralte polnisch-nationalistische Träume schienen Wirklichkeit zu werden. Aber die Rote Armee, deren politischer Kriegskommissar Josef Stalin war, führte eine schnelle Gegenoffensive aus. Der polnische Angriff auf Kiew, 'die Wiege der russische Nation', löste in Sowjetrußland eine patriotische Welle aus. Sogar ehemalige hohe Offiziere des Zaren traten in den Dienst der Roten Armee.

1921 wird die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik mit der Hauptstadt Charkow gegründet. 1922 ist die USS Gründungsmitglied der UdSSR. Die Westukraine mit Lemberg/Lwow bleibt bis 1939 unter polnischer Verwaltung.

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Bis 1924 bzw. zur Alleinherrschaft Stalins 1928 sind Juden in der Sowjetunion allen anderen gleichgestellt. Ab 1924 beginnt die 'Umsetzung der Judenschaft auf das Land'. 1927 werden Juden nach Birobidschan, im Biurejagebirge nahe der chinesischen Grenze umgesiedelt. 1934 wird Birobidschan zum 'Autonomen jüdischen Distrikt' erklärt.

In der USS wird 1928-32 eine staatliche Kampagne gegen die 'Kulaken' (Großbauern im zaristischen Rußland) durchgeführt. Ihre Ländereien liegen vornehmlich an der Grenze zum heutigen Moldawien und werden als die 'Kornkammer des alten Rußland' bezeichnet. (Dieses Gebiet war später auch für die Nationalsozialisten von erheblichem ökonomischem Interesse.)

Die Getreiderequirierungen und Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft, die auch kleinen und mittleren Bauern betrifft, führen im Winter 1932-33 zu einer Hungersnot, bei der in der USS mindestens eine Millionen Menschen sterben. Für die gesamte Sowjetunion wird die Zahl der Opfer auf sechs Millionen Menschen geschätzt. Genaue Zahlen gibt es bis heute nicht.

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Die schwere Wirtschaftskrise und das Erstarken judenfeindlicher Parteien und Bewegungen in ganz Europa führte auch in Polen zu einem erneuten Aufflackern des Judenhasses, den schließlich auch die offizielle Politik und die katholische Kirche aufgriff. Neben den altbekannten Ressentiments, wurden die Juden nun auch beschuldigt mit den Bolschewisten zu kollaborieren. In den Jahren von 1933 bis 1939 war das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland auf Regierungsebene ausgesprochen gut. Es gab sogar Überlegungen gemeinsam die Sowjetunion anzugreifen. Ähnlich wie bei den Nazis gab es bis ins polnische Außenministerium Pläne die Juden nicht nur nach Palestina, sondern auch nach Madagaskar auszusiedeln. Im Herbst 1938, nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich entzog die polnische Regierung den etwa 20.000 dort lebenden polnischen Juden die Staatsbürgerschaft, um sie an der Rückwanderung zu hindern. Daraufhin verschärften die Nationalsozialisten die Ausweisungsbestimmungen für polnische Staatsbürger. Im Oktober transportierten sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 17.000 bis 20.000 polnische Juden an die Grenze, um sie in ihr Heimatland abzuschieben. Die polnische Seite schloß die Grenzen und wies im Gegenzug deutsche Juden aus Polen aus.

1939 wird die Westukraine im Zuge Hitler-Stalin-Paktes von der Sowjetunion annektiert und Teil der USS.

1941-44 wird die gesamte Ukraine von deutschen und von mit den Deutschen paktierenden rumänischen Truppen besetzt. Galizien wird 1941 Teil des deutschen Genreral-Gouvernement. Viele Ukrainer feiern die deutschen Besatzer als Befreier und lassen sich in die Liste der Volksdeutschen eintragen. Ukrainer treten auch in die Regimente von SS und Waffen-SS ein. Andere werden zu berüchtigten Kapos in deutschen Konzentrationslagern. Oft hat es den Anschein, als ob diese Menschen, die ja 'nur Volksdeutsche' sind, ihre Zugehörigkeit zum 'Deutschtum' auf besonders bestialisches Weise im Vorgehen gegenüber den sogenannten 'Untermenschen' beweisen wollen. Zwischen fünf und acht Millionen Menschen werden in dieser Periode der nationalsozialistischen Besatzung umgebracht. Das ukrainische Judentum wird vernichtet.

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Zum Ende des 2. Weltkrieges wollten Stalin bzw. die Sowjetunion die Westverschiebung Polens nicht nur wegen der Reparationsansprüche, sondern auch, um das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland langfristig zu stören. 1,6 Millionen Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten wurden in die ehemaligen Ostgebiete des Deutschen Reiches ausgesiedelt. Vor allem Angehörige der Intelligenz aus den Städten. Der größte Teil der 1990 in der Sowjetunion lebenden 1,126 Millionen Menschen, die als Nationalität 'Pole' angaben, sind Arbeiter und Bauern. Aber immer weniger von ihnen sprechen heute noch polnisch.

Im Zuge der Auflösungserscheinungen der Sowjetunion gründet sich in der Ukraine im Februar 1989 die 'Taras Schewtschenko Urkrainische Sprachgesellschaft'; im März, in Kiew, die ukrainische Memorial-Gesellschaft, die die stalinistischen Verbrechen und Repressionen, sowie die Hungersnot in der Ukraine 1932/33 untersuchen will; im September dann die rechtsnationalistische Partei 'Narodni Ruch'. 1990 wird Ukrainisch die offizielle Landessprache, obwohl ein Großteil der Bevölkerung in der östlichen Ukraine und in Kiew Russisch spricht und in Politik und Medien beide Sprachen gleichermaßen benutzt werden. Im westlichen Teil dagegen wird Ukrainisch gesprochen.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine im August 1991 hat sich der Lebensstandard der Bevölkerung enorm verschlechtert. Große Teile der Bevölkerung vegetieren unter dem Existenzminimum, trotz der staatlichen Subventionierung von Brot, Heizenergie und Verkehrstarifen. Demgegenüber steht eine kleine Schicht von 'Neureichen', die mit der alten Funktionärsschicht teilweise identisch ist. Eine Folge dieses Mißverhältnisses ist die in den letzten Jahren stark zugenommene Kriminalität.

Der Reaktorunfall in Tschernobyl hat auch die Westukraine verseucht. Der Sarkophag, die Betonhülle um den Reaktor, ist einsturzgefährdet. Eine zweite Umhüllung würde etwa 1,3 Milliarden Dollar kosten, die die Ukraine nicht aufbringen kann.

Die veraltete Bergbau- und Schwerindustrie hat kein Geld für Modernisierung und Filtereinrichtungen. Hohe Schadstoffemissionen sind die Folge. Die ungenügende Abwasserreinigung führt zur Verseuchung der Flüsse und des Grundwassers, dadurch kommt es zur Verunreinigung des Trinkwassers durch Bakterien mit akuter Gesundheitsgefährdung. Die medizinische Grundversorgung ist durch die enormen Veränderungen und den materiellen Mangel sehr begrenzt. Ärzte und Krankenhäuser verlangen oft für Behandlungen Bargeld im Voraus. Deshalb können sich Cholera, Diphterie, Typhus und andere Krankheiten, gegen die es Impfstoffe gibt, wieder ausbreiten.

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Drohobycz

Die Kleinstadt Drohobycz liegt am östlichen Fuße der Karpaten in einer lieblichen Landschaft umgeben von verschlafenen Dörfern. Juden werden in Drohobycz erstmals im 15. Jahrhundert erwähnt. Drohobycz war vor dem II. Weltkrieg eines der bedeutendsten Zentren jüdischer Kultur in Europa. 1939 bestand die Bevölkerung von Drohobycz aus 36.000 Einwohnern, wovon 17.000 jüdischen Glaubens waren.

Mit dem Einmarsch der Wehrmacht kamen auch die Spezialisten der 'kriegswichtigen' Karpaten-Öl-Akziengesellschaft in das ostgalizische Erdölgebiet in den Sümpfen südlich von Drohobycz. Die Karpaten-Öl-AG richtete in der Nähe von Borislaw, Kreis Drohobycz, eigene Arbeitslager ein. Der überwiegende Teil der über 1000 Insassen waren'Arbeitsjuden', die neben derm Stern mit einem 'R', für 'Raffineriearbeiter' gekennzeichnet wurden.

Die Deutschen stellten überall im Kreis Drohobycz 'Ukrainische Sicherheitsdienste' auf, die sich aus ortsansässigen Antisemiten rekrutierten.

Die meisten Juden wurden in dem Vernichtungslager Belzec ermordet. Viele wurden aber auch in der Nähe, im Wald von Bronica, außerhalb der Stadt an der Straße nach Sambor erschossen. Der 'Judengeneral' Felix Landau schreibt darüber in seinem Kriegstagebuch:

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"Um 6 h. werde ich plötzlich aus meinen schweren festen Schlaf geweckt. Zur Exekution antreten. Nun gut, spiele ich halt noch Henker und anschließend Totengräber, warum nicht. Es ist doch eigentümlich, da liebt man den Kampf und dann muß man wehrlose Menschen über den Haufen schießen. 23 sollen erschossen werden, darunter befinden sich die schon erwähnten 2 Frauen. Sie verweigerten von uns auch nur ein Glas Wasser anzunehmen. Ich werde als Schütze eingeteilt und habe eventuell Flüchtende zu erschießen. Wir fahren die Landstraße einige km entlang und gehen dann rechtsseitig in den Wald. Wir sind nur 6 Mann augenblicklich und suchen nach einem, geeignetem Platze, für Erschießen und Vergraben geeignet. Nach wenigen Minuten haben wir so etwas gefunden. Die Todeskandidaten treten mit Schaufeln an, um ihr eigenes Grab zu schaufeln. Zwei weinen von allen, die andern haben bestimmt erstaunlichen Mut. ... Die Todeskandidaten werden in 3 Schichten eingeteilt, da nicht so viel Schaufeln hier sind. Eigentümlich in mir rührt sich gar nichts, kein Mitleid - nichts - es ist eben so - und damit ist für mich alles erledigt. ... Langsam wird das Loch immer größer. Zwei weinen ununterbrochen; ich lasse sie immer länger graben, da denken sie sich nicht so viel. Während der Arbeit sind sie auch tatsächlich ruhiger. Die Wertgegenstände wie Uhren und Geld werden auf einen Haufen zusammengelegt. Die zwei Frauen werden als erste, nachdem alle auf einem freien Platz nebenan gebracht wurden, zum Erschießen auf das eine Ende der Grube aufgestellt. Zwei Männer wurden bereits von unserem K. K. im Gebüsch erschossen. ... Die Frauen treten ruhig und gefaßt an die Grube, drehten sich um. Sechs Mann hatten wir nun diese zu erschießen. Die Einteilung wurde getroffen, 3 Mann auf Herz, 3 auf Schädl, ich nehme Herz. Die Schüsse fallen und die Gehirnmassen schwirren durch die Luft. Zwei auf Schädel ist zuviel, sie reißen fast den ganzen Schädl weg. Fast alle sinken lautlos zusammen. Nur bei Zweien klappt es nicht, sie heulen und winseln noch lange. Die Revolverschüsse taugen nichts. Bei uns beiden, die wir zusammen schießen, ist kein Versagen. Die vorletzte Gruppe muß nun die bereits vorher Erschossenen in das Massengrab werfen, dann müssen sie sich aufstellen und fallen auch und zwar von selbst hinein. Die letzten 2 müssen sich auf den vorderen Rand des Grabes setzen, damit sie gleich richtig hineinfallen. Nun werden noch einige Leichen mit einer Spitzhacke umgeschichtet und dann beginnen wir mit der Totengräberarbeit. Hundemüde komme ich zurück, und nun geht es wieder an die Arbeit, alles im Gebäude in Ordnung bringen."

1944 hatten nur noch 400 Drohobyczer Juden überlebt.

Heute hat sich in Drohobycz eine kleine neue jüdische Gemeinde gegründet. Sie besteht vorwiegend aus älteren Menschen. Die meisten von ihnen sind Überlebende der Shoah. Sie leben teilweise sehr einsam und unter sehr schlechten Bedingungen in oft baufälligen Wohnungen. Im Frühjahr 1998 brannte der Dachstuhl der 160 Jahre alten, einstmals schönsten Synagoge Galliziens, in Drohobycz ab. Jemand soll am Sicherungskasten manipuliert haben.

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Stabliste

BILDER FINDEN - ein Film von Benjamin Geissler

mit Christian Geissler, Alfred Schreyer, Harry Zeimer,

Apolonia Klügler, Wladimir Protasow

Dora Kacnelson †, Mauricy Weiss †

Nadija Kalushna, Larisa Kalushna - Ukraine -

Emmanuell Weintraub, Alfred Schönfeld † (OFF), - Paris -

Yehuda Bronicki, Benio Löffelstiel, Moussia Zeimer

Maria Biermann (OFF) - Israel -

sowie den Offiziellen ...

Agnieszka Kijowska, Marek Wojciech Chmurzynski

- Vertreter des Kulturministeriums Warschau, Polen -

Boris Wosnyzkyj - L'viv / Lemberg

- Vertreter des Kulturministeriums Kiev, Ukraine -

Staatsanwalt a.D. Wolfram Koch, Stuttgart, Deutschland

Tuviah Friedman, Institute of Documentation in Israel

for the Investigation of Nazi War Crimes, Haifa

Dr. Mordecai Paldiel, Director Righteous Among the

Nations Department, Yad Vashem, Jerusalem - Israel -

Teja-Udo Landau, Maria Landau - Wien -

Wolf-Dieter Landau (OFF), Janina Landau (OFF) - Australien -

u.v.a.

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Idee: Christian Geissler

Recherche, Treatment, Regie, Kamera: Benjamin Geissler

Ton: Marek Slaski

1. Regieassistenz: Yuriy Prokhasko,

2. Regieassistenz: Roman Dubassevych, Thomas Geldmacher

Musik: Guglielmo Pagnozzi

Schnitt und Effekte: Benjamin Geissler

Mischung: Markus Braack , Studio Funk

Produktionsleitung: Peter Stockhaus

Redaktion: Beate Schönfeldt

Eine Benjamin Geissler Filmproduktion

mit Mitteln der Filmförderung Hamburg, kulturelle Filmförderung des Bundes (BKM),

Mitteldeutsche Medienförderung, kulturelle Filmförderung Mecklenburg - Vorpommern

in Zusammenarbeit mit arte / mdr

© Benjamin Geissler Filmproduktion MMII

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Technische Daten – BILDER FINDEN

Länge auf 35mm: 106'15" Min. Farbe , Stereo / Format: 1:1.85

Länge auf Video (VHS + Beta SP / Digi-Beta) und DVD: 102'10" Min. Farbe , Stereo / Format: 16:9

Deutsche Fassung:

Deutsch, Polnisch, Ukrainisch, Englisch, Russisch, Französich und Aramäisch mit deutschen Untertiteln

Originalfassung: Deutsch, Polnisch, Ukrainisch, Englisch, Russisch, Französich und Aramäisch

Englische Fassung:

Deutsch, Polnisch, Ukrainisch, Englisch, Russisch, Französich und Aramäisch mit englischen Untertiteln

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Vertrieb - BILDER FINDEN

Weltvertrieb

Benjamin Geissler Filmproduktion
Grandweg 90 B
D-22529 Hamburg
Tel.: +49 - 40 - 551 66 82
info(at)benjamingeissler.de

 

Verleih in 35 mm (mit deutschen oder englischen Untertiteln):

Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin

info(at)kinemathek.de

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